Sonntag, 20. Februar 2011

verkappter liebesromantiker.

Welch Rasen hat Neaera,
du Törin, geboten,
so anzufallen, so zu
verletzen meine Zunge
mit grausam-wildem Bisse?
Genügt' s nicht, daß im Herzen
so viele deiner Pfeile,
die es durchbohrten, ich nun
allein muß tragen? Mußt du,
mit dreisten Zähnen frevelnd,
vergehn dich an dem Gliede,
womit ich oft frühmorgens,
womit ich oft spätabends,
womit ich lang am Tage,
in bittersüßen Nächten,
dein Lob zu singen pflegte?
Dies ist (weißt du´s nicht?), Böse,
dies ist dieselbe Zunge,
die deine Ringellocken,
die dein verschwimmend Auge,
die deine weißen Brüste,
die auch den zarten Nacken
der reizenden Neaera
in weichem Vers erhoben
zu Sternen, höher noch als
zum sonnenwarmen Himmel,
der diesen Ruhm dir neidet;
die dich, mein Heil und Leben,
die dich, mein ganzes Dasein,
du Blume meiner Seele,
und dich, du meine Liebe,
und dich, du mein Entzücken,
und dich, du meine Venus,
und dich, du meine Taube,
mein weißes Turteltäubchen,
zu Venus´ Neid besungen.
Vielleicht ist´s grade dieses,
was, Stolze, dich erfreuet:
die Zunge zu verwunden,
die (wie du weißt, du Schöne)
du nie so kränken konntest
noch so in Zorn versetzen,
daß nicht sie diese Äuglein,
daß nicht sie diese Lippen
und selbst die geilen Zähne,
die ihr so Böses taten,
in eignem Blut gebadet
selbst stammelnd noch besänge?
O stolze Macht der Schönheit!

Johannes Secundus // Basia 8

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